Gemini Man - Viel Technik, zu wenig dahinter

Will Smith tritt in diesem Action Film gegen sein 25 Jahre jüngeres Ich an. Wie viel steckt hinter der Technikfassade? Kann der Film überzeugen?

Gemini Man - Viel Technik, zu wenig dahinter

Gerüchten zufolge lagen Idee und Skript über 20 Jahre in einer Schublade in Hollywood. Geduldig auf die Technik wartend, die nötig ist, um einen Schauspieler auf der Leinwand gegen sein 25 Jahre jüngeres Ich antreten zu lassen. Nun sehen wir mit Gemini Man das Resultat und ein weiteres Mal die digitale Verjüngungskur, die mit diesem Film wohl endgültig Hochkonjunktur erreicht hat. Was ist nun von dem Ergebnis zu halten? Da scheiden sich die Geister - zumindest meine.

Das Geisterscheiden beginnt schon beim Regisseur, der filmisch schon ein paar Mal auf dem schmalen Grad zwischen stark und schwach ausgerutscht ist. Zwar hat Ang Lee mit Brokeback Mountain (2005) und Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger (2012) schon zweifach den Oscar für die beste Regie erlangen können, unterwegs aber auch cineastischen Unfug wie Die irre Heldentour des Billy Lynn und seine vermurkste Hulk Verfilmung verantwortet. Gemini Man passt in keine dieser beiden Schubladen.

Der Plot

Henry Brogan (Will Smith) ist der beste Auftragskiller des US-Geheimdienstes und ein meisterhafter Scharfschütze. 72 Tötungen gehen zu Filmbeginn bereits auf sein Konto. Beim aktuellsten Auftrag sehen wir ihn einen vermeintlichen Terroristen in einem vorbeifahrenden Zug per Genickschuss ausschalten. Doch als er erfährt, dass man ihm falsche Informationen über das Opfer gegeben hat, verstößt ihn sein Arbeitgeber und schickt eine Spezialeinheit um ihn zu töten – ohne Erfolg. Der private Militärunternehmer Clay Verris, der mit seiner Firma „Gemini“ eng mit der Regierung zusammenarbeitet, schickt seine Geheimwaffe, um es zu Ende zu bringen: Einen 25 Jahre jüngeren Klon von Brogan.

Visuell Top

Wer geile Action auf Mission Impossible oder John Wick Niveau sucht, der wird hier fündig. Gerade die erste Hälfte ist ein Actionhandwerkliches Highlight. Abwechslungsreiche Settings und tolle Kamerafahrten, die die Action begleiten und zwar nicht von unzähligen Schnitten torpediert, sondern mit Detailverliebtheit in Szene gesetzt. Die Motorrad Verfolgungsjagd in Cartagena, Kolumbien ist ein Paradebeispiel für eine toll gefilmte Actionszene.

Auch werden nicht fortwährend ganze LKW Ladungen an Munition verschossen, sondern in Henry Brogans fall nur so viele Kugeln wie Gegner in der Nähe sind. Getreu dem Motto „weniger ist mehr“ werden dadurch den ganzen Film über immer wieder Schüsse, Schläge und Explosionen gezielt betont, sodass es einem im Kino die Schuhe auszieht. Allerdings ist es ärgerlich, dass der Film ab 12 Jahren freigegeben ist. Das raubt manchen Action Szenen die Wucht. Genre-Kollegen wie John Wick haben da definitiv die bessere Entscheidung getroffen.

Der Film schickt sich an, ein technischer Meilenstein zu sein, ob er das auch ist, wird die Zukunft zeigen (ich glaube eher nicht). Nicht präsentiert er uns ein weiteres Mal die digitale Verjüngung eines Schauspielers, die nun schon in einer Hand voll Filmen verwendet wurde (z.B. Fluch der Karibik 5, Ant-Man und zuletzt Captain Marvel). Er wurde auch extra in HFR (High Frame Rate) gedreht.

Kurz erklärt: Filme haben normalerweise 24 Bilder Pro Sekunde. Dieser Film wurde mit 120 gedreht. Da in Deutschland aber kein Kino diese Projektionstechnik besitzt, ist er hierzulande nur mit 60 Bildern zusehen. Aber hey, immerhin das 2,5 fache. Wer kann, sollte eine solche Vorstellung besuchen.

Inhaltlich Flop

Wo der Film optisch und technisch frisch lackiert daherkommt, da bröckelt unter der Oberfläche bereits der Putz. Das vermag auch ein charismatischer Hauptdarsteller wie Will Smith nicht zu verdecken – nicht mal in doppelter Ausführung.

In der Story braucht die Hauptfigur erst einmal knapp eine Stunde, um das herauszufinden, was dem Zuschauer allein durch das Betrachten des Filmplakates schon auf die Nase gebunden wird: das Will Smith hier von einem jüngeren Klon verfolgt wird. Hat man zusätzlich zum Plakat auch noch den Trailer gesehen, braucht man sich den Film eigentlich gar nicht mehr anzusehen.

Nicht nur, dass die Geschichte eines in Ungnade gefallenen Auftragskillers, der vom Jäger zum Gejagten wird, schon unzählige Male erzählt wurde, Ang Lee versäumt trotz Klon-Idee, dieser Geschichte einen eigenen Stempel aufzudrücken

Zwischendurch handeln die Figuren enorm unglaubwürdig. So ist Junior, wie der Klon genannt wird, in einem Moment genau so ein unbesiegbarer Killer wie sein Zwilling, nur um ihm beim nächsten Mal wie ein kleiner Junge hilflos zu unterliegen, weil die Story es so verlangt. Lichtblick in den Figuren ist die Dynamik zwischen Henry und der von Mary Elizabeth Winstead gespielten Danny. Benedict Wong als Baron ergänzt dieses dreier Team super, was auch ganz einfach daran liegt, dass man hier nicht künstlich versucht hat, Dramatik und Sentimentalität zwischen diese Figuren zu quetschen. Genau das versucht der Film aber zwischen Henry, seinem Klon und dessen bösen Ziehvater Clay Varris, was man ihm als Zuschauer nicht wirklich abkauft, da helfen auch keine Kindheitsrückblenden des Protagonisten.

Fazit

Der Film liefert handwerklich größtenteils toll inszenierte Action, tolle Effekte eindrucksvolle Bilder, und definitiv ein paar coole Momente, versäumt es aber das Ganze mit einer innovativen Geschichte und ausreichend spannenden Figuren zu füllen.